Dietrich Roeschmann | Badische Zeitung | Kultur 5.2.2017
Utopischer Raum des Politischen:
Alle paar Minuten klingelt eine Straßenbahn die Menschenmenge von den Gleisen, die sich vor der Sparkasse in der Kaiser-Joseph-Straße um die Musiker einer Latin-Band scharen. Gegenüber, in den Räumen des Regierungspräsidiums, sind ihre Songs mit Kontrabass, Gitarre und Cajon nur noch vage zu hören, gedämpft durch dicke Mauern und doppelverglaste Fenster, die die Wappen der Gemeinden des Regierungsbezirks Freiburg tragen. Hin und wieder klappt auf den Fluren eine Tür, Schritte knarren über das Parkett, ein Kopierer surrt – dann ist wieder Ruhe.
Mitten in der Stadt gelegen, mit gut besuchter Infotheke und einer aktuell im Erdgeschoss präsentierten Ausstellung über knallige Design-Trends in Schwarzwald-Look ist das Regierungspräsidium nicht unbedingt ein Ort der stillen Einkehr. Dass Kontemplation dennoch ein Modus sein kann, sich an diesem Ort zu bewegen, macht seit dem Herbst auf wunderbar dezente Weise die künstlerische Intervention des Freiburgers Robert Eugler deutlich.
Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer hatte den Maler 2015 in St. Peter kennengelernt, als dieser im Auftrag des Geistlichen Zentrums St. Peter im ehemaligen Kloster seine zarten monochromen Malereien in einen inspirierenden, überraschend gleichberechtigten Dialog mit den historischen Porträts kirchlicher Würdenträger verstrickte, die hier seit Jahrhunderten hängen. Schäfer war begeistert – und lud Eugler ein, den Empfangsraum in der Beletage des Regierungspräsidiums neu zu gestalten.
Man muss das eine ebenso glückliche wie mutige Entscheidung nennen, denn tatsächlich bedeutet die Verpflichtung Euglers einen radikalen Bruch mit den hier bislang üblichen Weisen der Repräsentation. Bis vor kurzem hingen im Entrée zur Beletage noch die Porträts der ehemaligen Regierungspräsidenten. Eine Galerie der Mächtigen, die mit freundlich-väterlichem Blick die Bürgerinnen und Bürger ins Visier nahmen, im Rücken oft die buntsandsteinfarbenen Kulissen der Stadt. Nun hängen diese Porträts in einem Seitenflur – und vor dem Büro der Regierungspräsidentin vibrieren stattdessen Euglers lichte Eitemperamalereien im rhythmischen Wechsel mit prominent gehängten Großformaten, zwischen den Fenstern platzierten Tondos und oberhalb der Türstürze zu stillen Serien gereihten Kleinformaten. Typisch für die Malerei des 58-Jährigen ist das milchige bis opake Flirren der in unterschiedlicher Dichte aufgetragenen Farbpigmente, die in der textilen Struktur des weiß grundierten Leinen- oder Baumwollstoffs hängen geblieben sind und Farbräume schaffen, die immer zugleich als Lichträume wahrnehmbar sind.
Euglers Bilder erzählen nichts. Sie bilden nichts ab, verweisen auf kein Äußeres, sondern reflektieren vor allem ihre eigene Entstehung, ihre Anwesenheit und Wirkung in der spezifischen Konstellation von Pigment und Leinwand, Licht und Raum. Paradoxerweise ist es gerade ihre Zurückhaltung und seltsam leuchtende Leere, die sich an diesem historisch aufgeladenen Ort unerwartet als politisch bedeutsam erweisen. Der Basler Hof hat eine wechselhafte Geschichte. Er war Stadtpalais und Exilresidenz des Domkapitels von Basel. Von 1933 bis 1941 beherbergte er das Gestapo-Hauptquartier mit Gefängniszellen und Folterkeller, brannte während des Luftangriffs im November 1944 vollständig aus und wurde nach alten Plänen wieder aufgebaut. Seit 1952 ist es Sitz des Regierungspräsidiums Freiburg. Im Kontext dieser Geschichte beschreibt Euglers Malerei einen Möglichkeitsraum, den man durchaus auch als utopischen Raum des Politischen verstehen könnte. Denn was seine Bilder erzählen, ist das Gegenteil dessen, was man hier erwarten würde. Sie repräsentieren keine Macht, vor ihnen gibt es kein richtig und kein falsch, sie beteiligen den Betrachter, statt ihn auszuschließen, verflüssigen hierarchische Ordnungen der Wahrnehmung, statt sie zu fixieren, und öffnen den Blick für neue Perspektiven, statt ihn auf das Bewährte zu verengen. Vielschichtiger lässt sich Transparenz im Spannungsfeld von Kunst und Gesellschaft nur selten erfahren.
Dr. Yvonne Ziegler | Badische Zeitung | Kultur 20. 3. 2015
Spiel von Licht und Schatten
Der Freiburger Robert Eugler stellt monochrome Werke im Geistlichen Zentrum St. Peter aus.
Malerei kann verwandeln. Nicht nur Menschen, auch Orte. Nichts weiter als Pigment auf Leinwand vermag die Atmosphäre von Räumen zu verändern. Nach einem Besuch im Atelier lud Arno Zahlauer, Direktor des Geistlichen Zentrums St. Peter, den Freiburger Künstler Robert Eugler ein, seine monochromen Gemälde in den Treppenhäusern, Fluren und Räumlichkeiten der ehemaligen Benediktinerabtei zu hängen. Er ließ ihm dabei weitestgehend freie Hand, bestimmte lediglich, welche der vorhandenen Bilder unverrückbar sind: die Päpste und Fürsten im Kreuzgang, eine Christus-Johannes-Darstellung, eine Kreuzigung im Treppenhaus. Durch den Dialog zwischen Euglers feinsinnigen Bildern scheinbarer Leere und den dunkeltonigen historischen Gemälden ist ein stimmiger Resonanzraum entstanden, ein beredtes Spiel von natürlichem Licht, Farbe und Raum, von Botschaft und Leere.
Dass die Werke nicht einfach so in der barocken Abtei verteilt wurden, spürt der Betrachter. Über ein Jahr fuhr der Künstler mehrmals hinauf, beobachtete, wie sich Licht und Schatten im Laufe der Jahres- und Tageszeiten veränderten, erforschte Räumlichkeiten und Geschichte und wohnte schließlich zur Positionierung seiner Arbeiten mehrere Tage vor Ort. Im Atelier trug er ruhig und konzentriert das selbst angerührte Gemisch aus Pigment und Eitempera Schicht um Schicht, senkrecht und waagerecht auf die Leinwand auf. Die so entstandenen Gemälde besitzen einen aus mehreren Pigmenten zusammengesetzten Grundton. Sie fangen kleinste Veränderungen des Lichts auf. Frontal betrachtet wirken sie oft nur leicht farbig, bisweilen lässt sich erst am Rand, wo der Pinsel abgestreift wurde, die Grundfarbe erkennen – blau, hellgrün oder violett. Schaut man jedoch seitlich auf eins der Bilder, beginnt ein saftiger Farbflaum auf der Oberfläche zu vibrieren. Solcherart von Licht, Schatten und Betrachterstandpunkt abhängig, ermöglichen Euglers Werke die Erfahrung ständiger Veränderbarkeit bildlicher Beständigkeit.
Nach dem Betreten des Gebäudes durch die "Weltliche Pforte" begegnen dem angemeldeten Besucher bereits im großen Stiegenhaus verschiedene Werkformen Euglers: drei neuere kleine Quadrate mit ungewöhnlich sattem Farbauftrag, ein riesiges Quadrat mit feinkörnigem Blauschimmer, ein bläuliches Rondo und ein großes Querformat mit dunklem Strich am unteren Rand, das an Landschaft denken lässt. Es folgen weitere Rondi, ein Hochformat, das die Maße der historischen Gemälde aufnimmt, und quadratische Bilder verschiedener Größe und Farbdichte. Sie scheinen das Kolorit von Deckengemälden, Wandanstrichen, Türen und Mobiliar aufzunehmen, wenngleich sie sich den vorhandenen Farbtönen je nach Helligkeit mal annähern, mal abwenden. Eindrücklich sind die Flure mit dem Benedikt-Zyklus, wo mehrere Gemälde abgenommen wurden und durch Euglers Arbeiten ein neuer Farb-eindruck die Strenge des Gangs mildert.
Man begegnet Robert Euglers Werken nahezu überall: an Orten repräsentativer Macht wie dem Fürstensaal, an Orten der Stille wie in der Kreuzkapelle, an profanen Orten wie dem Refektorium, Gängen und Treppen. Es ist nicht so wichtig, alle Bilder einzeln anzusehen, denn an diesem besonderen Ort nehmen sie sich hinter der Formung von Atmosphäre zurück, verschmelzen zu Farbklängen, werden zu Blickpunkten. In der Rokokobibliothek trifft man schließlich auf eine Bodenarbeit: Ein kleiner Kegel schwarz glänzender Akeleisamen wird von einem dichten Kranz Glyzinienhülsen umrundet, die im Lauf des Sommers aufplatzen werden. Eine Form von geerdeter, verlebendigter Zeit.
Dr. Yvonne Ziegler | Badische Zeitung | Kultur 13. 10. 2010
Feinstofflicher Farbduft
Eine Ausstellung von Robert Euglers Bilder im Freiburger Morat-Institut
Wo vermeindlich nichts ist, kann das Auge mehr sehen. Das ist paradox, ist es aber nicht. Der Freiburger Künstler Robert Eugler präsentiert für nur wenige Tage im Morat-Institut Leinwände, die dies erfahrbar machen. Wenn man die Halle bei hellen Licht betritt, so könnte man zunächst meinen, an den Wänden hingen nur wenige Arbeiten. Ein stakes Rot, drei grüne Leinwände und ein Streifenbild ziehen den Blick an. Dazwischen befinden sich jedoch solche von zurückhaltender Farbigkeit. Denn insbesondere bei den ganz neuen Arbeiten liegt nur ein leiser Schimmer Farbe auf dem weißen Grund. Eines ist blau, ein anderes gelb, ein drittes unbestimmt braun-grün.
Die Bilder sind unterschiedlich durchlässig, behaupten ein opakes Für-sich-Sein oder lassen den Blick ins "Innere" zu, je nachdem wie dicht die Farbe aufgetragen ist. Obwohl sie gänzlich ohne Perspektivlinien, figürliche oder abstrakte Formen sind, vermag das Auge einen Raum zu ertasten: einen Bildraum, der zwischen der weißen Grundierung und den Pigmenten auf der Oberfläche liegt. Beim Sehen mischen sich die feinen Farbpunkte und erzeugen einen durch unsere Augenbwegung bewegten Raum, der an den Rändern Halt besitzt, da dort der Pinsel, als er über die Kante strich, verdichtete Farbpartikel hinterließ.
Robert Eugler malt seit Jahren mit Eitempera. Er streut Pigment auf den Tisch, taucht den Pinsel ein. Mit ruhiger Hand trägt er die Farbe sorgfälltig senkrecht und waagerecht auf. Unterschiedliche Schichten Grün, Gelb oder Blau liegen am Ende übereinander. Manche Bilder scheinen wie aus winzigen Partikeln einer Landschaft zusammengesetzt. Kastanienbraun, Mineralfeuerrot, Wismutgelb...Sie geben etwas Atmosphärisches wieder, einen feinstofflichen Farbduft von Wald, Wiese oder Stadt. Den Schritt zu diesen Bildern zeigen die frühen Leinwände. Dort sind die Farben pigmentreich und kräftig übereinandergelegt. Flecken oder Schichten erzeugen deutliche Raumtiefen. Eines, ein Streifenbild, erscheint von der Seite betrachtet wie schimmerndes Fell, so leuchtstark liegen die Pigmente auf seiner Oberfläche.